DIE ERBEN VON POKÉMON Die Pokémon bestimmen seit nunmehr 20 Jahren unser Leben, und das haben wir in den letzten sechs Wochen hier auf Kibo.FM gefeiert. Nochmal alles Gute zum 20-jährigen, aber man darf nicht vergessen, dass auch anderen Franchises versucht haben, auf der Erfolgswelle mitzuschwimmen, und dabei durchaus erfolgreich waren. Die ersten direkten Pokémon-Konkurrenten waren die Digimon - zumindest bei einem flüchtigen Blick auf den Anime. In beiden Serien erleben Kinder in Begleitung kleiner Monster große Abenteuer, und dazu endeten beide Serientitel mit der Silbe "-mon" - das reichte manchen Fans, um Digimon als einen Pokémon-Abklatsch zu verschreien. Tatsächlich ist die Story im Anime aber grundverschieden. In zwei Sätzen zusammen gefasst, kämpfen Ash und Pikachu in erster Linie für ihren eigenen Ruhm mit dem Ziel, Pokémon-Meister zu werden. Für die Digiritter hingegen steht das Schicksal der ganzen Welt auf dem Spiel, wenn etwa bösartige Digimon ein globales Computer-Chaos verursachen. Außerdem gibt es bei "Digimon" so etwas wie Charakter-Entwicklung - das sieht man gerade in der aktuellen Fortsetzung "Digimon Adventure tri" gut, wo die Kinder von damals zu jungen Erwachsenen herangewachsen sind. Ash Ketchum hingegen ist seit fast 20 Jahren zehn Jahre alt. Auch die Ursprungsgeschichte ist eine ganz andere: Während Pokémon seinen weltweiten Siegeszug als Gameboy-Spiel antrat, begannen die Digimon als virtuelle Haustiere und gaben dem Spruch "Was war zuerst da, das Ei oder das Digimon?" eine ganz neue Bedeutung. Ab 1996 in Japan und 1997 auch bei uns feierte Bandai mit dem Ei-förmigen digitalen Haustier Tamagotchi große Erfolge. Die Welt der klassischen Tamagotchis war aber auf ihre eigene Eierschale begrenzt. Als indirekten Nachfolger brachte Bandai bereits 1997 das "Digital Monster" heraus, eine Tamagotchi-Variante, die aufgrund ihres monströseren Aussehens eher Jungs ansprach, und neu war die Möglichkeit, zwei "Digital Monsters" miteinander zu verbinden und gegeneinander kämpfen zu lassen. Ihr habt sicher schon durchschaut, dass die "Digital Monsters" in Kurzform "Digimon" heißen, und aufgrund des Erfolges gab es dann auch bald einen Manga, Merchandise und eben die beliebte Anime-Serie, die "Digimon" auch hier in Deutschland groß gemacht hat. Im Kartenspiel-Bereich ist "Yu-Gi-Oh!" der größte Rivale der Pokémon. Natürlich spielen sich beide Spiele sehr unterschiedlich, die Gemeinsamkeiten sind eben die Monster-Thematik und die Verbindung zur Anime-Szene. Dabei hatte Kazuki Takahashi, der Zeichner von "Yu-Gi-Oh!", gar nicht geplant, daraus ein erfolgreiches Trading Card Game zu machen - ursprünglich wollte er nur einen Manga über Spiele allgemein zeichnen. Dieser startete im September 1996 in Japan und erschien bis 2004 in 38 Bänden. Der Titelheld Yugi löst ein altes ägyptisches Puzzle, woraufhin der Geist des Pharao Atem in ihm einzieht. Seither verwandelt sich Yugi immer, wenn eine Ungerechtigkeit geschieh, in Yami Yugi und spielt für die Gerechtigkeit, wobei die Strafe für die Verlierer hart ist. Das Kartenspiel sollte dabei eigentlich nur in einem Kapitel eine einmalige Rolle spielen: Yugis Großvater, seines Zeichens Inhaber eines Spielzeugladens, besitzt eine seltene "Duel Monsters"-Sammelkarte, und diese wird ihm unter Zuhilfenahme eines schmutzigen Tricks von Yugis Klassenkamerad Seto Kaiba gestohlen. Yugi spielt daraufhin als Yami Yugi eine Runde "Duel Monsters" geben Kaiba, um so die Karte seines Großvaters zurück zu erobern. Der Rest ist Geschichte: Die Leser waren fasziniert von diesem fiktiven Sammelkartenspiel und wollten mehr davon wissen. Bald machte Kazuki Takahashi das Spiel zum zentralen Element seiner Serie, und bis das Spiel auch in der Realität umgesetzt wurde, war es nur noch eine Frage der Zeit. Möchte man Top-Listen im Internet glauben, ist "Yu-Gi-Oh!" tatsächlich knapp erfolgreicher als das "Pokémon Sammelkartenspiel", tatsächlich sind die beiden Konkurrenten aber ohnehin nur Platz 2 und 3, denn die Spitzenposition nimmt "Magic - The Gathering" ein, der Inbegriff alles Sammelkartenspiele. Im Videospiel-Bereich hat "Pokémon" hingegen klar die Nase vorn - zumindest, wenn man die Historie der Videospiele komplett betrachtet. Dann ist "Pokémon" nach "Super Mario" das zweiterfolgreichte Videospiel-Franchise aller Zeiten. Schaut man aber nur auf die Verkaufszahlen der letzten beiden Jahre, hat "Pokémon" aber einen gefährlichen Konkurrenten: Sowohl 2014 als aus 2015 konnte sich "Yo-Kai Watch" vor "Pokémon" in den japanischen Charts einordnen. Das Spiel stammt von Level-5, den kreativen Köpfen hinter "Professor Layton", und erschien in Japan im Juli 2013. Das Spielprinzip verlangt von euch, dass ihr mit Hilfe der titelgebenden Geisteruhr die Geister in der Stadt aufspürt, mit ihnen Freundschaft schließt und sie später in den Kampf gegen stärkere Geister schickt. Die Entwickler sehen den oft angebrachten Vergleich mit "Pokémon" übrigens nicht gern, aber wir Deutschen können noch nicht beurteilen, wie ähnlich sich die Spiele wirklich sind, denn in Europa ist "Yo-Kai Watch" bislang nicht erschienen. Irgendwann im Lauf des Jahres 2016 soll es wohl so weit sein, einen genauen Termin haben wir bislang aber nicht. Natürlich gibt es auch noch einige andere Videospiele, die auf dem Prinzip "Monster sammeln und trainieren" beruhen, die aber alle nicht an "Yo-Kai Watch" und erst recht nicht an "Pokémon" heranreichen. Ein Beispiel dafür ist "Telefang" von "Harvest Moon"-Entwickler Natsume. "Telefang" erschien im Jahr 2000 ausschließlich in Japan für den Gameboy Color und erschien, genau wie "Pokémon", in zwei Editionen, nämlich "Power" und "Speed". Die titelgebende In-Game-Besonderheit ist, dass ihr die Monster nicht fangt, sondern lediglich ihre Handy-Nummer erhaltet. Wollt ihr sie einsetzen, ruft ihr sie an, und sie eilen herbei, um euch zu unterstützen. Findige Hacker bastelten "Telefang" übrigens zu tatsächlichen Pokémon-Editionen um, die dann als "Pokémon Jade" und "Pokémon Diamond" ihren Weg ins Internet fanden - das war freilich, bevor es das echte "Pokémon Diamant" gab. Ein weiteres Beispiel ist das von Disney vermarktete "Spectrobes", welches 2007 für den Nintendo DS erschien, auch in Deutschland. Ihr übernehmt die Rolle eines jungen Weltraum-Offiziers, der die geheimnisvollen Spectrobes mit ihren noch geheimnisvolleren Kräften entdeckt und letzlich zu dem Schluss kommt, dass sie ihn im Kampf gegen die bösartigen Krauls unterstützen können. Langlebig war "Spectrobes" nicht, es gab lediglich noch zwei Fortsetzungen für Nintendo DS und Wii, aber immerhin auch eine kurze Anime-Serie, die auf Deutsch auf den N-Zone-DVDs erschien.